Lebenslage/ Mobilität

Je vous présente: Joséphine.

Eigentlich war es ja ein Versehen.

Nachdem ich mein Jahresziel im 2014 Mitte November endlich erreicht hatte und – um gut 4000 CHF ärmer – dank Bachblüten, vielen guten Wünschen und einem sehr, ich wiederhole: SEHR wohlmeinenden Experten die Fahrprüfung fürs Autofahren im zweiten Anlauf endlich geschafft hatte, liess ich das Ganze gut einen Monat sacken, bis ich mir in den Weihnachtsferien gründlich überlegte, wie das mit der Autofahrerei nun weitergehen sollte. Man muss mir zugute halten, dass ich so ehrlich war, mir einzugestehen, dass ich nun zwar den Führerschein im Portemonnaie stecken hatte, jedoch weit davon entfernt war, von mir sagen zu können, dass ich das Autofahren wirklich beherrsche. In den Weihnachtsferien also rechnete ich, dass die Synapsen glühten. Ich kam bald zu einem ernüchternden Schluss: Ja, ich musste dringend häufiger mit einem Auto fahren, wenn ich nicht spätestens in einem halben Jahr wieder absolut fahrunfähig sein wollte, und nein, ein eigenes Auto kam finanziell gesehen nicht in Frage. Einzig, wenn ich entscheiden würde, mein GA der SBB zurück zu geben und fortan alle meine Wege, insbesondere meinen Arbeitsweg, per Auto zurück zu legen, wäre ein eigenes Auto auch nur annähernd vertretbar. Wer mich je morgens im Zug auf dem Weg zur Arbeit gesehen hat, weiss, wie unrealistisch es ist, dass ich um diese Uhrzeit fahrtüchtig bin:

Bis um 07:50 bin ich im Zombie-Modus, unansprechbar, komatös, zu keiner noch so kleinen kognitiven Leistung imstande.

Ich beschloss also, die Notwendigkeit von mehr Fahrpraxis per Mobility auszuprobieren. Carsharing finde ich eine vernünftige Sache, ich finde nicht, dass jede und jeder ein eigenes Auto haben muss. Ich löste also ein dreimonatiges Probe-Abi und war guter Dinge. So lange zumindest, bis der erste Monat verstrichen war und ich kein einziges Mal ein Auto benutzt hatte. Mobility ist eine super Sache für planende, vorausschauende Menschen, die ganz gezielt ein Auto mieten, um für eine ganz konkrete Situation von A nach B und in einer exakt berechneten Zeit wieder zurück nach A zu kommen. Wie soll ich sagen. Ich bin leider weder planend noch vorausschauend, und ich kann im Voraus unmöglich festlegen, wie lange ich unterwegs sein werde – ich brauche ja eigentlich auch kein Auto für eine ganz konkrete Situation, ich will bloss regelmässig Auto fahren, damit ich nicht eine dieser unsicheren, gefährlichen VerkehrsteilnehmerInnen werde, die den Verkehr stören und gefährden.

Der zweite Probemonat schien nicht anders zu verlaufen als der erste, und ich realisierte: Nein, mit Mobility würde das nichts werden. Da trat mein werter Freund auf den Plan: Seit ich ihn kenne (bei unserem ersten Date zeigte er mir als erstes sein Auto – meine Reaktion „oh, ein blaues Auto…“ fiel dann offenbar anders aus, als erwartet), versuchte er mich dazu zu bringen, den Führerschein zu machen, unzählige Male suchte er mir im Internet (ungefragt) Inserate von „dem Auto, das zu dir passt“. Da seine Begeisterung für Autos in den letzten Jahren unter anderem dazu führte, dass er bei einem Auto-Import-Geschäft arbeitet, war er nun quasi noch näher an der Quelle, wenn es darum ging, gegen meinen Willen ein „passendes“ Auto für mich zu finden.

Mein Freund also, der kam eines schönen Abends mit leuchtenden Augen nach Hause: „Ich hab das perfekte Auto für dich!! Ein absolutes Schnäppchen!!“ Meine Versuche, ihn von dieser Idee wegzubringen – unter anderem mit dem Einwand „aber ich WILL gar kein Auto!!“ – überging er geflissentlich mit einer Hartnäckigkeit, die schon fast bewundernswerte Ausmasse annahm. Er textete mich zwei Abende lang nonstop zu, was ich ja ganz amüsant gefunden hätte, wenn es sich nicht ausgerechnet um das Thema Auto gedreht hätte, er betonte immer wieder, so günstig käme ich nie wieder an ein Auto dieser Qualität, er verfolgte mich auf Schritt und Tritt mit Inseraten, Leistungsmerkmalen, Autofachwissen, PS, Verbrauch, Felgen, Hubraum, bis ich schliesslich, als es gegen Mitternacht zuging und eigentlich vor allem, damit er endlich aufhört, über Autos zu reden, verzweifelt rief: „Kaufen, kaufen!!“ 

Am Tag darauf war ich mir nicht ganz sicher: Hatte ich jetzt echt ein Auto gekauft?! Ich schrieb meinem Freund eine SMS mit dieser Frage. Seine Antwort war folgende: „Ich denke schon, ich hab nen Zettel mit der Aufschrift „Verkauft“ dran geklebt.“

Oha lätz. Ich war etwas verstört. Irgendwie hatte ich immer gedacht, dass man ein Auto auf ähnlichem Weg wie einen Kühlschrank kauft: Man geht in ein Fachgeschäft, lässt sich beraten, entscheidet sich für ein Modell, ev. muss man noch was unterschreiben, dann bezahlt man, und nimmt das Ding mit nach Hause. Dass man wirklich wie an der Börse nur „kaufen, kaufen!!“ schreien muss, also, das war mir neu.

Egal. Ich gewöhnte mich gemächlich an den Gedanken, dass ich nun ein Auto gekauft hatte, und beschloss, den finanziellen Irrsinn an der ganzen Sache als Investition in meine Fahrtüchtigkeit zu sehen. Eine riesige Investition, übrigens, aber ich beschloss, dieses Auto als „Spassauto“ zu benutzen, sprich, es am Wochenende fürs Einkaufen oder  Besuche bei Familie und Freunden einzusetzen, und es dann in einem Jahr oder so wieder zu verkaufen.

Mein Freund kam dann mit mir, um das Gefährt abzuholen, und ich will ehrlich sein: Ein bisschen gefreut darüber hab ich mich schon. Das erste Mal alleine in einem Auto am Steuer zu sitzen, zu wissen, dass dieses Ding nun mir gehört, dass ich künftig die Musik hören kann, die mir gefällt, dass ich nicht mehr auf den Taxidienst meiner Mama angewiesen bin, wenn ich meine Eltern besuche, dass mein Reiseweg zu meinem Patenmädchen und meinen beiden Schwestern künftig halbiert wird, dass ich künftig spontan zu meinem Patenjungen und meiner Freundin gehen kann, dass ich selber den Wocheneinkauf erledigen kann, … ja, es ist ein absolutes Luxusobjekt, ja, ökologisch ist ein eigenes Auto nicht, ja, das Ganze erinnert irgendwie an eine groteske unbefleckte Empfängnis, ja, mein Freund hat mich massiv überredet, aber: Nun ist sie mein. „Sie“, das ist Joséphine, die kleine silbrige Kutsche, die schnittige französische Mademoiselle, die mit ihrer leicht affektierten „je ne sais quoi“-Attitüde quer durchs Mittelland braust.

Je vous présente Joséphine. Non, je ne regrette rien.

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4 Kommentare

  • Antworten
    Owley
    27. April 2015 bei 00:24

    Oh là là, qu’elle est belle!

    • Antworten
      Änni
      4. Mai 2015 bei 19:30

      Naturellement, monsieur!

  • Antworten
    Frau Lavendel
    1. Mai 2015 bei 13:54

    Und dann, liebe Änni, wenn Du mal richtig lang und richtig weit fahren möchtest, dann komm doch mal ins Rheinland und lass Dir von mir die kleinen Hubbel in der Landschaft zeigen.
    Oder wir besuchen eine Traktorausstellung.

    Liebe Grüße,
    Britta

    • Antworten
      Änni
      4. Mai 2015 bei 19:31

      Das klingt wahrlich verführerisch, sowohl die eine wie auch die andere Variante! Ich google schon mal „Rheinland“.

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